Aus der Zeit gefallen – Das Ergebnis der Sirenenüberprüfung

Die elektrische Steuerung der Sirene.
(© FF Pleitersheim)

Theoretisch ist es einfach: Tritt eine Katastrophenlage ein, etwa eine Sturzflut oder ein Großbrand, löst die Notrufzentrale – im Fachjargon auch Leitstelle genannt – auf Anweisung der verantwortlichen Führungskräfte den Katastrophenalarm aus. In den betroffenen Gemeinden beginnen sodann die Sirenen zu heulen und informieren die ortsansässige Bevölkerung mittels festgelegter Tonfolgen über eine drohende Gefahr.

Hinweis: Die Bedeutung der Sirenensignale

Soweit zur Theorie. An der Praxis aber scheitert dieses System. Viele Leitstellen können aus der Ferne lediglich den Feueralarm betätigen, um die Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr zu ihren Gerätehäusern zu rufen. Auf die übrigen Tonfolgen der Sirene – den Katastrophenalarm, die Entwarnung, etc. – haben die Leitstellen keinen Zugriff, da schlicht keine entsprechenden Schalter installiert wurden. Einerseits glaubte man spätestens nach Ende des Kalten Krieges, auf die Sirenen nicht länger angewiesen zu sein und andererseits – wohl maßgeblich für die Entscheidung – empfand man den Unterhalt der Sirenen als zu teuer. Denn diese regelmäßig zu warten und gelegentlich auch zu modernisieren, kostet Geld.

Während mancherorts die Sirenen gar demontiert wurden, stehen diese noch in den Gemeinden des Landkreises Bad Kreuznach. Und können – erneut theoretisch – von Hand bedient werden. Eingedenk der Ereignisse im Ahrtal im Juli 2021, die vielen Menschen die Bedeutung eines funktionierenden Katastrophenschutzes vor Augen geführt haben, entschied Ortsbürgermeister Bodo Ehrhardt, in Zusammenarbeit mit der Freiwilligen Feuerwehr, die Sirene der Gemeinde Pleitersheim am Abend des 10. September einer Funktionsüberprüfung zu unterziehen.

Die Kontrolltafel der Sirene.
(© FF Pleitersheim)

Dabei stellte sich heraus, dass die Sirene zwar grundsätzlich funktioniert, die Kontrolltafel (s. Bild) jedoch nicht nur aus der Zeit gefallen, sondern auch nicht wie beschrieben und scheinbar offensichtlich zu bedienen ist. In der Theorie bietet ein Drehschalter vier Optionen an, um eine der möglichen Tonfolgen auszwählen. Anschließend kann die Sirene mit einem Druckknopf aktiviert werden. Tatsächlich aber spielt die Sirene die gewünschte Tonfolge nicht automatisch ab. Vielmehr scheint der Drehschalter keine Funktion (mehr) zu haben und die gewünschte Tonfolge muss stattdessen manuell durch gezieltes Pressen und Loslassen des Druckknopfs gesteuert werden. Dies setzt nicht nur genaue Kenntnisse der Tonfolgen voraus, sondern auch Übung. Kein System also, das im Notfall von jedermann bedient werden kann.

Immerhin ein Lichtblick: Der außen an der Pilsstube angebrachte Druckknopf für den Feueralarm erfüllt tatsächlich seinen Zweck.

In Summe fällt das Fazit der Sirenenüberprüfung ernüchternd aus. Dass die Sirene nur sehr eingeschränkt durch die Leitstellen angesteuert werden kann, war bereits bekannt. Die mangelnde Funktionsfähigkeit der Kontrolltafel stellt hingegen eine neue Erkenntnis dar. Es eröffnet sich unweigerlich die Frage, welche Konsequenzen aus dem Ergebnis nun gezogen werden? Vertraut man weiterhin darauf, dass die Zeit der Katastrophen vorbei ist und die Sirene ihren Sinn verloren hat? Oder möchte man dieses Mittel der Bevölkerungswarnung erhalten und zeitgemäß aufrüsten, für jenen Tag, da die Sirene – vielleicht – einmal benötigt wird? Dies ist nicht nur eine politische, da finanzielle, sondern auch eine gesamtgesellschaftliche Frage.

Abschließend sei erwähnt, dass die Sirene allein nicht ausreicht, um mit Gewissheit alle Menschen vor einer drohenden Gefahr zu warnen. Noch während der Funktionsüberprüfung berichtete bspw. ein Pleitersheimer Bürger, dass er die Sirene – ihrer Lautstärke zum Trotz – bei geschlossenen Fenstern kaum hören konnte. Folglich kann die Sirene nur ein Mittel unter vielen sein, ergänzt durch alternative Systeme wie Cell Broadcasting, digitale Medien (NINA, KatWarn) oder auch – ganz simpel und unabhängig von Strom und Funk – die Nachbarschaftshilfe.

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